
Kinder leiden besonders unter den Folgen der Corona-Pandemie. Dies zeigt eine Umfrage unter Eltern, die das SOS-Kinderdorf Hamburg aktuell veröffentlicht hat. Neben der Angst vor Ansteckung und dem Verlust des vertrauten Alltags machen dem Nachwuchs auch finanzielle Sorgen der Eltern zu schaffen. Die Befürchtung vieler Hamburger Eltern, durch Corona den Arbeitsplatz zu verlieren, teilen auch Familien in unseren Stadtteilen.
„Die Existenzangst ist ständig präsent“, meint eine alleinerziehende Mutter aus Niendorf, die anonym bleiben möchte. Seit April ist die Angestellte in Kurzarbeit – ob sie ihren Job behalten kann, weiß sie nicht. Um bedingt durch die finanziellen Einbußen über die Runden zu kommen, hat sie noch einige Nebenjobs angenommen. „Meine Unzufriedenheit kommt auch bei meiner Tochter an, wenn ich schneller mal gereizt reagiere.“ Erschwerend hinzu komme das Homeschooling, durch das zuhause zusätzlich Konfliktpotential entstanden sei.
Eine ähnlich belastete Situation stellt eine Schnelsenerin dar: „Meine ständige Anspannung durch die Ungewissheit, wie es finanziell weitergeht, belastet unsere ganze Familie.“ Die 35-Jährige ist selbstständig im Eventbereich und konnte nun seit fast einem Jahr nicht mehr arbeiten. Zwar habe ihr Mann einen „sicheren“ Job, das fehlende Einkommen mache sich mittlerweile aber deutlich bemerkbar. Dass ihre zwei Kinder im Grundschulalter nicht mehr zur Schule gehen, mache es nicht einfacher. „Auch wenn wir als Familie jetzt mehr Zeit füreinander haben, kommt es deutlich häufiger zu Streitereien.“

In vielen Familien liegen die Nerven momentan häufig blank, meint Torsten Rebbe, Leiter von SOS-Kinderdorf Hamburg Foto: SOS Kinderdorf
„Die Existenzängste der Erwachsenen gehen nicht spurlos an den Kindern vorbei. Kinder haben ein sehr feines Gespür und merken, wenn die Eltern sich Sorgen machen“, sagt dazu Torsten Rebbe, Leiter vom SOS-Kinderdorf Hamburg. In den vom Verein betreuten Familien nehmen die Spannungen zu: „Wenn Schulen und Kitas geschlossen sind, bedeutet das, dass Kinder und Eltern den ganzen Tag auf engstem Raum zusammen sind – da liegen die Nerven blank.“ Einen kleinen positiven Effekt nennt er aber auch: „Auch wenn es in vielen Familien mehr Reibereien gebe, stellen viele jedoch auch fest, dass mehr miteinander gesprochen oder gespielt wird.“ kh
Die Ergebnisse der Umfrage:
In Hamburg bangt fast jede zweite der befragten Familien um den Arbeitsplatz. 50 Prozent der Eltern haben Angst vor Kurzarbeit und 47 Prozent fürchten sogar den Jobverlust. Etwa jeder Zweite muss durch Corona bereits mit weniger Geld auskommen. 52 Prozent der befragten Selbstständigen mit Kindern sehen ihre Existenz bedroht. Die Umfrage zeigt, dass jüngere Eltern besonders stark betroffen sind. Ältere berufstätige Eltern sind im Job eher etabliert und haben größere finanzielle Rücklagen. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Streitigkeiten haben bei fast der Hälfte der Hamburger Familien zugenommen. Mehr als 60 Prozent der Eltern sorgen sich bei Schul- und Kitaschließungen um die Bildung und Entwicklung ihrer Kinder. 72 Prozent der Befragten sagen aber auch, es würde in der Familie mehr Gespräche geben. Zwei Drittel der Eltern unternehmen mit ihren Kindern mehr Ausflüge in die nähere Umgebung oder machen Spieleabende. Die Umfrage „Coronafolgen für Familien“ wurde im November und Dezember 2020 von Toluna und Faktenkontor für das SOS-Kinderdorf Hamburg durchgeführt.
Der Beitrag Wenn sich Angst in die Familien schleicht erschien zuerst auf Niendorfer Wochenblatt.